Schweigen als Strafe: was das mit unseren Kindern macht

Wenn Liebe an Bedingungen geknüpft wird

Schweigen als Strafe in der Kindheit wirkt bis ins Erwachsenenleben. Wie elterlicher Liebesentzug Urvertrauen stört und warum Betroffene glauben, leisten zu müssen, um liebenswert zu sein.

Schweigen: gut oder schlecht?

Schweigen kann verletzender sein als Worte. Wenn Menschen – vor allem Eltern – Stille als Strafe einsetzen, lernen Kinder früh, dass Nähe unsicher ist und Liebe verdient werden muss. Viele tragen diese Erfahrung bis ins Erwachsenenleben weiter als permanentes Funktionieren, als Angst vor Wertlosigkeit, als Gefühl, nie genug zu sein und immer leisten zu müssen, um liebenswert zu sein


Reden ist Silber, schweigen ist Gold, hat man uns beigebracht. Schweigen kann eine tolle Pause sein. Vielleicht auch manchmal ein Rückzug aus Überforderung. Ein Moment, um sich zu sammeln. Auch gemeinsam zu schweigen kann wunderschön sein.

Wenn Eltern jedoch schweigen, um zu strafen, verändert sich die Bedeutung grundlegend. Dann geht es nicht um Selbstregulation, sondern um Macht. Nähe, Blickkontakt und Sprache werden entzogen. Für Kinder ist das kein neutraler Zustand, sondern ein furchtbares Signal von Verlust, nämlich dem Verlust von Liebe und Zugehörigkeit. Etwas, das Sicherheit gegeben hat, ist plötzlich nicht mehr da.

Kinder können diesen Rückzug nicht einordnen. Sie verstehen nicht, dass Erwachsene überfordert sein könnten. Sie spüren nur, dass die Beziehung wackelt und ihnen Sicherheit genommen wird.


Wenn Kinder anfangen zu bitten

In dieser Situation entsteht häufig eine typische Dynamik. Kinder versuchen zunächst, das Schweigen zu durchbrechen. Sie suchen Kontakt, stellen Fragen, wollen unbedingt verstehen. Bleibt die Reaktion aus, wachsen Unsicherheit und oft auch Panik.

Viele beginnen dann, sich zu entschuldigen, auch wenn sie objektiv nichts falsch gemacht haben. Nicht aus Einsicht, sondern aus großer und existenzieller Not. Das Bitten wird zum letzten Mittel, um Beziehung wiederherzustellen. Der Satz „Es tut mir leid“ verliert seine Bedeutung und wird zu einer Strategie, um Nähe zurückzubekommen.

Das Kind übernimmt Verantwortung, nicht weil es schuldig ist, sondern weil es abhängig ist.


Die innere Rechnung, die daraus entsteht

Was Kinder in solchen Momenten lernen, ist keine Konfliktlösung. Sie lernen eine innere Logik:

Wenn ich klein genug bin, mich anpasse und alles richtig mache, bleibt die Beziehung bestehen und ich bekomme Zuneigung..

Das Schweigen endet irgendwann, oft ohne Erklärung. Zurück bleibt das, was scheinbar funktioniert hat. Nicht das Gespräch, sondern das Nachgeben. Nicht das Verstehen, sondern das Sich-selbst-zurücknehmen.

So entsteht früh eine Verknüpfung von Wert und Verhalten. Nähe wird an Leistung gekoppelt. Liebe wird etwas, das man sich verdienen muss.


Wie Schweigen das Urvertrauen beschädigt

Urvertrauen entwickelt sich nur dort, wo Kinder erleben, dass Beziehung verlässlich ist. Dass Nähe auch dann bleibt, wenn etwas schiefgeht.

Schweigen als Strafe untergräbt genau dieses Fundament.

Wenn Zuwendung ohne Vorwarnung entzogen wird, lernt das Kind nicht nur etwas über Beziehung, sondern über Sicherheit insgesamt. Es lernt, dass Bindung unberechenbar ist. Dass man nie ganz sicher sein kann, woran man ist.

Das ist kein bewusster Gedanke, sondern eine tiefe Prägung. Vertrauen wird Misstrauen. Wachsamkeit wird zur Gewohnheit.


Warum daraus Wertlosigkeit entsteht

Wird Liebe oder Nähe nur nach dieser Anpassung wiederhergestellt, erst nachdem das Kind sich klein und unsichtbargemacht hat, entsteht kein stabiles Selbstwertgefühl. Wert hängt nicht am bloßen Dasein, sondern am Funktionieren, man lernt, dass man immer perfekt sein muss, um geliebt zu werden. Fehler fühlen sich plötzlich immer gefährlich an und können jederzeit zum Verlust von Liebe führen. Was für ein schreckliches und unmenschliches Gefühl man einem Kind damit vermittelt.

Wertlosigkeit entsteht dabei nicht, weil sie ausgesprochen wird, sondern weil sie implizit vermittelt wird. Das Kind lernt, dass es ohne Leistung keinen sicheren Platz hat.

Diese Erfahrung wiederholt sich nicht einmal, sondern oft. Und Wiederholung formt Überzeugungen.


Erwachsene, die nicht aufhören zu liefern

Viele Erwachsene, die mit Strafschweigen aufgewachsen sind, wirken leistungsbereit, verantwortungsvoll und kontrolliert. Sie funktionieren gut, oft besser als nötig. Gleichzeitig fällt es ihnen schwer, sich selbst wichtig zu nehmen, ohne etwas zu tun.

Pausen fühlen sich unruhig und nicht gut, nicht produktiv genug an, man hat das Gefühl, man ist nicht liebenswert, wenn man nichts leistet. Auch Anerkennung von außen, die man ständig sucht, beruhigt nur kurz und wirkliche Nähe bleibt fragil. Es gibt eine so tiefe Angst, nicht zu genügen, wenn man nicht liefert, dass man immer auf Außenwirkung bedacht ist und kaum noch in sich selbst hören kann.

Liebe wird nicht als selbstverständlich erlebt, sondern als etwas, das permnent gesichert werden muss. Durch Liefern, durch Leisten, durchs Perfekt sein.


Pause oder Strafe

Eltern dürfen Pausen brauchen. Sie dürfen sagen, dass sie gerade nicht sprechen können. Entscheidend ist, ob Kinder Orientierung bekommen und wissen, dass Beziehung bleibt. Man darf schweigen, weil man gerade nicht reden kann, Aber man muss ehrlich vermitteln, dass sich dadurch an der Beziehung nichts ändert und man grundsätzlich bereit ist, u einem anderen Zeitpunkt zu reden.

Ein angekündigter Rückzug mit Erklärung schützt. Aber wortloses Schweigen, das Nähe entzieht, verletzt andere Menschen zutief. Es zwingt Kinder in Anpassung und lässt sie Verantwortung für Gefühle tragen, die nicht ihre sind. Und es lässt sie sich schon im Kindesalter permanent hinterfragen. Der Trend unter Erwachsenen heißt übrigens „Ghosting“.


Einordnung

Wenn du heute das Gefühl hast, ständig leisten zu müssen, um wertvoll oder liebenswert zu sein, dann ist das kein persönliches Defizit. Es ist ganz oft die logische Folge einer frühen Erfahrung, in der Nähe nicht verlässlich war.

Du hast gelernt, Beziehung zu sichern, weil du es musstest. Nicht aus Schwäche, sondern aus Abhängigkeit. Das zu erkennen, kann entlasten. Es verschiebt Verantwortung dorthin, wo sie hingehört, nämlich nicht zu dir!

Und du lernst, dass du Nein sagen darfst, ohne dass sich dein Wert verändert. Was für eine unbezahlbare Freiheit.

Es gibt diesen Spruch:

„Wenn man das GEfühl hat, dass man nicht geliebt wird, dann sorgt man dafür, dass man gebraucht wird.“

Auch diese Art des Helfens hat ihren Ursprung darin. Aber: Wert entsteht nicht durch Bitten, nicht durch Entschuldigungen ohne Schuld und nicht durch permanentes Funktionieren. Wert ist einfach da. Dein Wert ist unveränderbar. 🖤

Bitte mach dich nicht klein. Sei laut. Sei zu viel und sei wie Astrid Lindgren gesagt hat: frech und wild und wunderbar! 🖤


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Eva

Hallo, ich bin Eva – Kopf, Herz und Hände hinter eva & fee.


Ursprünglich war der Blog als kleines Extra gedacht – als Begleiter zu meinem Shop, eigentlich nur als Blick hinter die Kulissen meiner Arbeit. Ein Ort für Geschichten aus dem Studio, Einblicke ins Töpferhandwerk, Tipps zur Dekoration mit handgemachter Keramik und kleine Styling-Ideen für Hochzeiten, Feste und Herzensmomente.

Aber wie das so ist mit Herzensdingen: Sie wachsen, wenn man sie lässt.

Mittlerweile ist on an appletree mehr als nur ein Werkstatt-Tagebuch. Hier gibt es Gedanken über den Alltag als small business owner, Erlebnisse mit Kund*innen, kleine Zwischenrufe aus der Kategorie Zwischentöne – für alles, was sich zwischen den Zeilen abspielt: zwischen Beruf und Berufung, zwischen Kreativität und Kapitalismus, zwischen Überforderung und Euphorie.

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